Behauptung: „Wenn man Gott ehrlich sucht, findet man ihn auch.“
Antwort: Es ist wichtig, sich zu verdeutlichen, was man mit diesem Argument impliziert: Es gibt unzählige Menschen, die Gott gesucht und nicht gefunden haben. Oder die durch ihre Suche zu einer anderen Religion als dem Christentum gelangt sind.
Bringt man dieses Argument vor, bezeichnet man pauschal jeden einzelnen Menschen, der nach Gott gesucht hat und dennoch nicht (mehr) an Gott glaubt, als unehrlich.
Es sollte offensichtlich sein, dass man es sich zu einfach macht, wenn man so viele Menschen dermaßen verleumdet, ohne sie und ihre Motive zu kennen.
Nach Gründen fragen
Christen wehren sich oft sehr heftig dagegen, wenn Außenstehende pauschal über Bekehrungserlebnisse und andere Zeugnisse von Gläubigen urteilen.
In gleicher Weise sind Ungläubige verständlicherweise oft ungehalten, wenn man ihnen unlautere Motive unterstellt, ohne ihre wahren Motive zu kennen.
Wir würden nie sagen, dass jeder, der ehrlich seinen Glauben hinterfragt, Atheist wird, und alle anderen einfach als unehrlich abstempeln.
Wir fragen Gläubige nach ihren Gründen, statt sie pauschal zu verurteilen. Und wir wünschen uns, dass Gläubige sich auch uns gegenüber so verhalten.
Repost des Beitrages mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Ich würde gerne noch eine weitere Perspektive hinzufügen, nämlich, dass mit diesem Argument die Beweislast auf den Gläubigen abgewälzt wird.
Dahinter steckt ein oft benutzter rhetorischer Trick. Die Existenz von Gott wird einfach als Voraussetzung in die Argumentation eingeschmuggelt, obwohl sie eigentlich auf dem Prüfstand steht. Man setzt Gott einfach voraus, und wenn er nicht sichtbar werden will, dann ist es eben die Schuld des Gläubigen. Dann war er eben nicht gläubig genug.
Erstaunlicherweise führt das nicht zu mehr Skepsis (obwohl dies die logische Schlussfolgerung wäre), sondern zu mehr Glauben. Die Gläubigen reden sich ihren Glauben umso inbrünstiger ein, in der Hoffnung, sie würden dann endlich irgendwas sehen. Irgendwann wollen sie es so stark, dass sie dafür jede kritische Distanz über Bord werfen. Und siehe da: Tatsächlich beginnen sie, Gott in irgendwelchen Dingen zu entdecken. Und damit ist die These tatsächlich bewiesen: Gott hatte sich gezeigt, sobald man fest genug glaubte. Vorher nicht. Also genau so, wie es behauptet wurde.
Für religiöse Menschen ist dieses plumpe Täuschungsmanöver sehr schwer zu durchschauen. Es zeigt, wie effektiv solche rhetorischen Tricks sein können.
Umso wichtiger ist es, denn Trugschluss aufzudecken und zu erläutern. AWQ demonstriert diesen Effekt übrigens häufig. Etwa wenn Kardinäle darüber faseln, Gott hätte etwas mit der Fußball-WM zu tun, oder mit der Rettung von Kindern aus einer Höhle. Das ist alles das Ergebnis des verzweifelten Wunsches, Gott möge sich zeigen; und der Überzeugung, Gott würde tatsächlich sichtbar, wenn man nur fest genug daran glaube. Auch das „Wort zum Sonntag“ basiert häufig darauf: dass Gott in nichtssagenden Alltagssituationen für uns sichtbar und begreifbar wird, wenn man nur genau hinschaut.