Behauptung: „Atheismus ist auch nur ein Glaube.“
Antwort: Nicht zwangsläufig. Wer nicht an Gott glaubt, muss nicht zwingend behaupten, es gebe keine Götter.
Wir als Nichtgläubige behaupten in der Frage nach Gott nichts, sondern nehmen nur die Behauptung nicht an, es gebe Gott, und müssen in der Folge an keinen unbegründeten Ansichten festhalten.
Würden wir behaupten, es gebe keine Götter, so würden wir etwas behaupten und müssten es begründen.
Analogie zur Verdeutlichung
Es gibt eine schöne Analogie zur Verdeutlichung: Stellen wir uns ein großes Glas mit lauter bunten Murmeln vor.
Davor stehen Person A und Person B.
A: «Ich denke, die Anzahl Murmeln ist gerade.»
B: «Das glaube ich dir nicht.»
A: «Aber es ist nicht bewiesen, dass die Anzahl ungerade ist!»
B: «Das habe ich auch nicht behauptet. Ich sehe nur nicht ein, warum du behauptest, sie sei gerade.»
Nicht an Gott zu glauben, ist nicht dasselbe wie zu behaupten, es gebe keinen Gott. Man kann auch einfach die gefällten Urteile anderer Leute ablehnen und keine ungerechtfertigten Behauptungen in den Raum stellen.
Schuldig oder nicht schuldig?
Es ist in diesem Zusammenhang zudem hilfreich, sich vor Augen zu führen, wie Gerichte vorgehen. Wird jemand des Mordes angeklagt, so lautet das Urteil nach dem Prozess nicht «schuldig» oder «unschuldig», sondern «schuldig» oder «nicht schuldig».
Das Gericht versucht, herauszufinden, ob es gute Gründe gibt, von der Schuld des Angeklagten auszugehen. Findet es keine, so wird der Angeklagte nicht für unschuldig erklärt, sondern es wird festgehalten, dass es keine guten Gründe gibt, ihn für schuldig zu erklären. Und dann hat er vernünftigerweise keine Verurteilung verdient.
Genau so sollte auch in der Frage nach Gott vorgegangen werden.
Die Christen klagen Gott der Existenz an, und wir Nichtgläubigen befinden ihn aufgrund mangelnder Belege nicht für schuldig.
Wenn uns dann die Christen vorhalten, wir hätten aber nicht bewiesen, dass er unschuldig sei, können wir nur mit den Achseln zucken und darauf hinweisen, dass wir das nicht behaupten und es kein guter Grund für eine Verurteilung ist.
Repost des Beitrages mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Ergänzung: Stichwort Theorie
„Theorie“ hat zwei Bedeutungen.
- alltagssprachlich: vorläufige Hypothese, Idee, Mutmaßung.
- wissenschaftstheoretisch: fundiertes, kohärentes, bestätigtes, nicht-falsifiziertes Aussagensystem über einen Teilbereich der Realität. „Theorie“ ist die höchste, zuverlässigste Stufe der wissenschaftlichen Modellbildung. (Beispiele: Geldtheorie, Atomtheorie, Keimtheorie, Evolutionstheorie)
Kreationisten verwenden irrtümlich die Definition 1 auf die Evolutionstheorie (eine Theorie der Definition 2). Sie gebrauchen fälschlich die alltagssprachlichen Bedeutung des Wortes „Theorie“, um Zweifel an der Glaubwürdigkeit des wissenschaftlichen Modells beim Hörer zu wecken. Viele kennen die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes nicht.
Die gemeinsame Abstammung der Arten ist durch ein dichtes Netz gegenseitig stützender Evidenz aus Dutzenden Fachrichtungen als Tatsache nachgewiesen.
Die gemeinsame evolutionäre Abstammung ist genau so solide gesichertes Wissen, wie die Erdlaufbahn um die Sonne. Und es wäre genau so absurd und ein ebenso überwältigendes Zeugnis der eigenen Ignoranz, es abzustreiten. (Quelle: Jori Wehner via Facebook)